Sex auf Social Media: Warum es zum Tabuthema wird
Veröffentlicht: Dienstag, 11.02.2025 13:45
Eine Aubergine als Emoji für das männliche Glied. "Seggs" oder "POrn" anstatt der üblichen Begriffe Sex und Porno. Auf Social Media ist es offenbar nicht mehr möglich, offen über Sexualität zu sprechen.
![Eine Frau liegt auf einem Sofa und schaut sich ein Video auf der Social-Media-Plattform Instagram auf ihrem Handy an](http://www.radio901.de/externalimages/?source=jpg724/437436766.jpg&crop=0x27x1280x800&resize=1280x800&dt=202502111304410)
Dafür, dass man für Begriffe aus dem Bereich der Sexualität ausgedachte Wortveränderungen, Emojis als Umschreibung oder Geheimcodes benutzt, gibt es einen Namen: Algospeak. Dieser Algospeak wird in der letzten Zeit immer häufiger verwendet. Nutzer von sozialen Medien scheuen sich, offen über Sexualität, Sexthemen oder ähnliches zu sprechen und netzen deshalb Begriffe, die entweder verfremdet sind oder auch verklausuliert. Emojis, die mit Sexualität eigentlich gar nichts zu tun haben, werden auch immer häufiger verwendet. Woran liegt das?
Themen rund um Sexualität und Aufklärung bestraft der Algorithmus sehr oft, heißt: Sie werden versteckt. Deswegen wird 'drumherum' geredet, während Infos über Sex - also was Natürliches - bestraft werden, gibt es ohne Einschränkungen Informationen über Drogen und Waffen. Der Grunddafür liegt in den USA, wo die meisten Social-Media-Anbieter wie Meta oder X sitzen. Nicht zuletzt hat die erzkonservative, christliche Rechte viel Einfluss.
Algospeak: Jugendliche wollen mitreden
Diese fehlende, umständliche Aufklärung ist für die junge Generation nicht unproblematisch. Für Jugendliche ist es auch einfach peinlich, wenn sie nicht mitreden können. Das sagt der Generationenforscher und Psychologe Rüdiger Maas: "Wenn jemand zum Beispiel bestimmte Dinge nicht kennt und dann einfach gelacht wird, weil irgendjemand weniger Wissen hat oder weniger Erfahrung, ist es bei jungen Menschen, die gerade in ihrer Findung sind, ziemlich schambesetzt." Dadurch können sehr peinliche Momente für die jungen Menschen hervorgerufen werden. Laut dem Forscher suchen junge Menschen einfach selbst nach den Inhalten, wenn es sie auf den sozialen Median nicht gibt. Sie finden auch, was sie wollen.
![Ein Mann schaut sich auf einem Smartphone eine Porno-Internetseite an (gestellte Szene)](http://www.radio901.de/externalimages/?source=jpg724/439497994.jpg&crop=0x27x1280x800&resize=1280x800&dt=202502111335000)
Algospeak: Pornografie als Lösung?!
Das bringt aber wiederum andere Gefahren mit sich. Statt seriöser Aufklärung konsumieren junge Menschen oft Pornografie. Zuletzt schauten laut Landesmedienanstalt NRW fast die Hälfte der 11- bis 17-Jährigen Pornos. Die Darstellungen entsprechen selten der Realität beziehungsweise normalem Sex. Zum Beispiel in Großbritannien haben rund 80 Prozent der unter 18-Jährigen auch Extrempornos mit Gewalt gesehen. Fast die Hälfte dieser Jugendlichen berichtet, Gewalt sei Teil von weiblicher Sexualität. "Der enorme Konsum von Hardcore-Pornografie und Extrem-Pornografie, hat auffällig zugenommen, vor allem bei jungen Leuten", sagt Maas und fügt an: "Das hat bei einigen auch dysfunktionale Störungsbilder hervorgerufen. Das sollte man ernster nehmen als es früher der Fall war. Früher hatte man nur um 23 Uhr heimlich auf irgendwelchen TV-Sendern Pornos angeschaut.“
Generationenforscher rät: Was Eltern tun können
Da viele sozialen Medien offenbar Aufklärung bestrafen, sind andere Wege gefragt, zum Beispiel Eltern. Wenn das Thema Sexualität aufkommt, sollte es normalisiert und auf Augenhöhe angesprochen werden. "Viele Eltern tun sich da auch heute noch schwer", so der Generationenforscher Maas. "Aber wenn das Kind das Gespräch sucht, sollten Eltern natürlich den Faden aufnehmen. Aber nicht künstlich, sondern kindgerecht, immer dem Alter des Kindes angepasst und nicht zu sehr ins Detail gehend."
Autoren: Joachim Schultheis & Sascha Faßbender